Der jährliche Fachtag von ARBES e.V. fand 2015 am 22.7. im Stuttgarter Seniorenzentrum Martha-Maria-Haus mit über 70 Teilnehmenden statt, neben den ARBES Mitglieds-Initiativen auch Vertreter aus Politik und Wissenschaft.

Nach der Begrüßung durch Gerd Fiess (ARBES) und einer Einführung in die Thematik durch Marion Deiß (SM Referat 16) sprach Prof. Dr. Cornelia Kricheldorff von der katholischen Hochschule in Freiburg über die Bedeutung der lokalen Verantwortungsgemeinschaften als neuer Facette in der Versorgungsforschung. Ihre These: Unterstützungssysteme, die aus dem Gedanken der Selbsthilfe der Betroffenen und dem Bürgerschaftlichen Engagement im nachbarschaftlichen Umfeld entstehen, sind von wachsender Bedeutung. Die Aufgabe sei daher, solche Formen gegenseitiger Unterstützung in nachbarschaftlichen Netzwerken zu initiieren und zu begleiten, mit dem Ziel, in gesellschaftlich geteilter Verantwortung und mit professioneller Unterstützung ein produktives Umfeld für den „Welfare-Mix“ im Quartier vor Ort zu schaffen. Dabei sollten die bekannten Hindernisse wie z.B. Konkurrenz, Unübersichtlichkeit, Kurzfristigkeit und die fehlende Nähe zum Lebensraum der Beteiligten vermieden werden.

Bei den zurzeit vorherrschenden Formen bürgerschaftlichen Engagements seien die Freiwilligen entweder als „Auftragnehmer“ in die Institutionen eingebunden, oder sie agierten in selbstgeschaffenen freien Initiativen, also abgekoppelt von den Institutionen. Eine gleichberechtigte Vernetzung von „professionell“ und „freiwillig“ sei dagegen nur selten zu beobachten, so Kricheldorff.

Stattdessen fordert sie daher die Verbindung von Freiwilligen und Professionellen in „Verantwortungsgemeinschaften“, in denen Kommunikation und Lösungsfindung auf Augenhöhe stattfinden und die Logik des jeweiligen Sozialraums zum Tragen kommt, nicht aber die der Institutionen. Denn nur so würden unnötige Reibungsverluste vermieden und die „Humanen Ressourcen“ optimal zur Geltung kommen.

In den letzten beiden Jahren wurde dieser Ansatz in vier Modellkommunen in BW initiiert und erste Erfahrungen in einem Handbuch veröffentlicht. (*)

Ergänzend zum Thema berichtete danach Peter Schmeiduch (SM Referat Pflege) von den rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen des bürgerschaftlichen Engagements in der ambulanten Pflege. Durch die Neufassung der §§ 45c und 45d des SGB XI sind bessere Finanzierungsmöglichkeiten in der Pflegeversicherung entstanden, die das Hilfespektrum durch engagierte Bürgerinnen und Bürger vor allem im niedrigschwelligen Bereich erheblich erweitern, z.B. bei häuslichen Besuchsdiensten und bei Angeboten zur Entlastung pflegender Angehöriger. Freiwillige können den jeweils ganz individuellen Pflegemix so noch mehr bereichern und ergänzen, indem sie ihre eigene Lebenserfahrung, ihre Interessen und ihre Empathiefähigkeit mit einbringen, so Schmeiduch.
Aus einer langjährigen erfolgreichen Praxis vor Ort berichtete anschließend Sabine Lais von der Bürgergemeinschaft Eichstetten e.V. als Gründungsmitglied des dortigen Seniorenprojektes. Ganz im Sinne des zuvor Gehörten gibt es dort unter den 3.500 Einwohnern ein ausgeprägtes bürgerschaftliches Engagement. Das Dorf übernimmt den Generationenvertrag mit dem Ziel, „Alt werden in gewohnter Umgebung“. So wurden seit 1998 betreutes Wohnen, eine Pflegewohngruppe, eine Tagesgruppe, ein integratives Tagescafé, Nachbarschaftshilfe und ein Bürgerbüro ins Leben gerufen und seither erfolgreich organisiert. Angeleitet und gemanagt von hauptamtlichen Mitarbeiterinnen, sind viele freiwillige Helferinnen aktiv engagiert. Es entstand eine dörfliche Sozialkultur, die auch die neu Hinzugezogenen mit einschließt. Eichstetten wurde Sieger im Bundeswettbewerb „Zukunftsfähige Kommune 2013“ und ist Modellgemeinde im „Entwicklungsprogramm ländlicher Raum“.

Wie in einer Stadt die Rahmenbedingungen für generationenübergreifendes Freiwilligenengagement geschaffen werden können, zeigte dann Angela Perlet vom Seniorenbüro Offenburg auf. Dort werden 75 Projekte betreut mit dem Ziel, den Dialog und die Kommunikation zwischen den Generationen zu fördern. Information, Beratung, Vernetzung und Betreuung durch trägerübergreifende Zusammenarbeit. Das geht, wenn die entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung stehen und die Projektpartner sich über die Ziele ihrer Arbeit einig sind.

Nach weiteren Kurzreferaten aus der Praxis in den Gemeinden Balingen und Grünkraut konnte das Thema in Arbeitsgruppen vertieft und diskutiert werden. Alle Beteiligten waren sich einig, diese wichtige Thematik auch weiterhin im Blick zu behalten!
Reinhard Biermann
(*) Kricheldorff/Mertens/Tonello: „Im Projekt hat sich unglaublich viel getan! Auf dem Weg zu einer sorgenden Kommune“.
Katholische Hochschule Freiburg 2014.

www.arbes-bw.de
Reinhard Biermann

Stellv. Vorsitzender
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0761-4097402
biermann@arbes-bw.de

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